Blomberger Sitzmöbel-Industrie

 

Geschichte einer erfolgreichen Integration!

Name: Beruf: Geboren:

Gestorben:

Alfred Lohmann  Kaufmann

14. September 1902

in Leisnig / Sachsen

27.August 1992

in Blomberg / Lippe

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Biographie:

 

Alfred Lohmann absolvierte in Leisnig eine Lehre als Kaufmännischer Angestellter in einer Möbelfabrik und musste früh morgens zusätzlich noch Zeitungen austragen um die große Familie mit zu unterstützen. Schon bald nach Abschluss der Lehre im Jahr 1919 wurde Alfred arbeitslos. Die Suche nach einer neuen Beschäftigung erstreckte sich auch auf den Westen Deutschlands, da in den Östlichen Landesteilen die meisten Arbeitslosen lebten.

 

 

 

(Bildquelle: Eigene)


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Im Jahr 1920 wurde er in Blomberg  fündig. Bei der Firma Paul Zoschke, die auch noch ein Werk in Stolp in Pommern hatte, wurde Alfred als Buchhalter angestellt. Die Firma Zoschke schloss einige Zeit später in Blomberg ihre Tore und die Arbeiter standen auf der Straße.

Etwa zwölf Mitarbeiter ergriffen 1926 die Initiative und beschlossen sich selbständig zu machen.

Die Firma Blomberger Sitzmöbel-Industrie würde gegründet.

 

 

 

 

 

(Werbung aus dem Jahr 1922 / Bildquelle: Eigene)

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Leisnig / Sachsen, Geburtsstadt von Alfred Lohmann / Bildquelle Eigene

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Historisches zur Blomberger Sitzmöbel-Industrie:

Anschrift: Blomberg / Lippe, Am Lehmbrink
 Gegründet:  1926
Geschäftsführer:  Alfred Lohmann, Heinrich Niemeir, Heinrich Junghans
Fabrikationsprogramm:  Buche, Eiche, Kirsch- und Nußbaum
Besondere Einrichtungen:  Eigenes Sägewerk
Gefolgschaft:  60 Arbeiter und Angestellte
Umsatz:  Etwa 300.000 RM

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Bildquelle: Eigene / Archiv Christian Muendl


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Älterer Stadtplan mit einigen historischen Gebäuden. (Bildquelle: Eigene)

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Unternehmensform:

 

Als Unternehmensform wurde eine eGmbH gewählt (eingetragene Gesellschaft mit beschränkter Haftung).
Jedes Mitglied zahlte einen Betrag ein und so konnte die Betriebsstätte der Firma Zoschke übernommen werden.
Alfred Lohmann wurde als Geschäftsführer installiert und es wurden weiterhin Stühle produziert und vertrieben. Die Firmengebäude wurden zunächst angemietet und konnten dann nach einigen Jahren käuflich erworben werden. Für Reisezwecke stand ein DKW vom Typ Meisterklasse zur Verfügung. Der Versand der Stühle wurde  ausschließlich durch die Deutsche Reichsbahn ausgeführt und für den Transport zum Bahnhof wurde ein Pferd gehalten das vor einem Einspänner mit hoher Plane ging.

Der Blomberg Bahnhof bestand damals als Endbahnhof - Sackbahnhof. Wie die wirtschaftliche Lage der Firma in der Zeit war, ist nicht genau bekannt.

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Kriegsjahre:

 

Alfred Lohmann war auch Mitglied in der NSDAP (Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei), allerdings ohne große Funktion. Das entnazifizierungs Verfahren nach dem Krieg schloss er ohne Probleme ab.

Im Krieg war die Firma geschlossen und wurde als Lehrwerkstatt der Luftwaffe mit Schlaftrakt und Küche genutzt.

Es waren mehrere Drehbänke installiert auf denen Flugzeugteile hergestellt wurden, wahrscheinlich für die Firma Junkers, da auf dem Firmengelände eine einmotorige JU ohne Tragflächen stand.
Die Lehr- und Unterkunftsstätten befanden sich ausschließlich im oberen Teil des Gebäudes, sodass die ursprüngliche Maschinen und Anlagen im Erdgeschoß erhalten blieben. Nach dem Krieg wurden die Drehbänke durch die Firma Weber und Köster benutzt, die später ihre Produktionsstätte ins Ruhrgebiet verlegte.

Als Soldat ist Alfred Lohmann während des Zweiten Weltkrieges bis in den Kaukasus vorgedrungen. Da er gut Schreibmaschine schreiben konnte und sich mit Buchhaltung auskannte, war er die meiste Zeit auf der Schreibstube eingesetzt. Über Bulgarien kam er nach Jugoslawien und wurde dort von den Tito-Brigaden gefangen genommen. Zum Glück wurde er an die amerikanischen Streitkräfte ausgeliefert und kam gleich nach dem Krieg wieder auf freien Fuß.
Jetzt begannen die Aufräumarbeiten im Betrieb, denn kurz vor Kriegsende hatten die amerikanischen Streitkräfte dort noch Quartier bezogen und mit Kaugummiresten und Zigarettenasche eine ziemliche Schweinerei hinterlassen.

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Der Neubeginn:

 

Nach dem Krieg lief die Produktion wieder an und die Belegschaft konnte auf 80-90 Mitarbeiter erhöht werden. Die Unternehmsform eGmbH war nach dem Kriege nicht mehr zeitgemäß und es wurde eine neue Gesellschaftsform, Co. KG, gewählt.
Alfred Lohmann wurde wieder zum Geschäftsführer gewählt und haftete nun mit seinem gesamten Vermögen.
Die Firma erhielt den Namen: Blomberger Sitzmöbel-Industrie Lohmann & Co. KG, es waren zu diesem Zeitpunkt nur noch 8 Gesellschafter eingetragen.
Die Produktion wurde immer weiter gesteigert. 1 x im Monat reiste Alfred Lohmann nach Frankfurt um bei Neckermann unter anderen Aktivitäten auch neue Modelle vorzustellen. Zeitweise waren bis zu drei Modellen im Neckermann Katalog vertreten. Ein Renner war ein leichter Schreib- bzw. Beistellsessel mit Namen "Kopenhagen". Der Sessel war von einem namhaften Designer entworfen worden.
Quelle und der Otto Versand waren ebenfalls gute Kunden der Blomberger Sitzmöbel Industrie. Weitere Aktivitäten lagen in der Fertigung für die Bundeswehr. Die Kontrollen waren etwas anstrengend um nicht zu sagen sogar sehr lästig. Besonders ein Kontrolleur (Herr Säule) kam gerne wegen der guten Eisbein Gerichte die auf der Speisenkarte im Gasthof Kaiserhof standen, nach Blomberg.

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Foto Galerie:

 

(Bildquellen: Eigene)

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Das Ende:

 

Der Strukturwandel in den 1970er Jahren, speziell in der lippischen Möbelindustrie, führte 1976 zur Schließung der Blomberger Sitzmöbel-Industrie Lohmann & Co.KG. Einige Jahre später wurde der gesamte Betriebskomplex abgerissen und an die katholische Kirche veräußert. Heute steht auf dem ehemaligem Betriebsgelände ein Wohnkomplex.
Die Firma Blomberger Sitzmöbel-Industrie Liesner & Co KG hat im Industriegelände Feldohlentrup in neuen Gebäuden ab 1976 die Produktion weitergeführt.
Da es sich um ein Stück deutsche und lippische Industriegeschichte handelt, bin ich über weitere Informationen und Bilder zur Geschichte der Blomberger Sitzmöbel-Industrie dankbar denn sie ist es Wert in Erinnerung zu bleiben.

(Geschichte aufgeschrieben von Siegfried Lohmann)

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Erinnerungen:

 

Für uns Kinder war die Stuhlfabrik etwas ganz Besonderes. Es wurden ganze Baumstämme angeliefert, die dann mit viel Kraftaufwand auf die Gattersäge gewuchtet wurden, um dann in unterschiedlich dicke Bretter zersägt zu werden. Der gesamte Prozess, vom Stamm bis zum Stuhl, war für uns Berufsorientierung  pur, dass erleben Kinder heute so nicht mehr.

Wir konnten erleben wie aus dem Baumstamm Bretter wurden, die Bretter zu Einzelteilen gesägt wurden, die Einzelteile im Trockenofen getrocknet wurden, die Einzelkomponenten gehobelt und geschliffen wurden, und zum Schluss zu einem Stuhl verleimt wurden.

Als finnisch wurde lackiert, gepolstert, verpackt und mit dem alten Mercedes Kurzhauber  L 1413 zum Blomberg Sackbahnhof transportiert, um in die bereitstehenden Waggons verladen zu werden.
Das waren Produktionsschritte, die es so heute wohl nur noch selten gibt.

Das Herz im Betrieb war das kohlebetriebene Kesselhaus. Über lange und breite Antriebriemen wurden die großen Kreissägen und auch andere Maschinen angetrieben, der benötigte Strom wurde erzeugt und die Fabrikationsgebäude im Winter beheizt. Ein dampfendes, faszinierendes, technisches Kraftwerk, das den Betrieb fast autark mit Energie versorgte.
Das Fabrikgelände, mit seinen vielen zweigeschossigen, überdachten und nach vorne offenen Lagerschuppen, war für uns Kinder der größte Abenteuerspielplatz überhaupt. In den oberen Etagen haben wir uns aus Holzstücken Burgen und Verteidigungsstellungen gebaut und stundenlang Cowboy und Indianer, oder Ritter gespielt.

Es gab einen älteren Lagerschuppen der schon recht baufällig und einsturzgefährdet war, den Zutritt hatte uns Opa Lohmann eindringlich verboten, aber gerade das ausgesprochene Verbot machten ihn für uns besonders reizvoll.

Immer wieder schlichen wir uns auf den alten Schuppen und mussten uns immer wieder vor Opa Lohmann verstecken, der unten seine Kontrollgänge machte und immer von unter rief: „Seit ihr da oben“?

Wir waren dann immer Mucks Mäuschen still und haben uns nicht bewegt, bis Opa Lohmann wieder abgezogen war, das kappte natürlich nicht immer, wäre ja auch langweilig gewesen!

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Hinten links ist der verbotene Schuppen zu sehen! (Bildquelle: Eigene

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Wir haben Wettbalancieren über die Baumstämme gespielt, das gesamte Gelände zum Verstecken spielen  genutzt und wenn uns im Winter kalt war, haben wir uns im Kesselhaus wieder aufgewärmt.
Wenn wir Durst hatten, sind wir in die Polsterei gegangen und haben uns Sissi-Brause gekauft, für die Männer gab es natürlich auch Bier! Der Verkauf der Getränke war in festen Händen.
Hinter der Polsterei war die "Pissecke", möchte ich noch erwähnen, das stank fürchterlich! In der Schmiede konnten wir Herrn Rechmeier, der als Schmied, Fahrer und Schlosser fungierte, bei seiner Arbeit zusehen (Herr Rechmeier sah etwas so aus wie Lex Baker aus Winnetou und wurde von uns immer Old Shatterhand genannt.

 

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Gelegentlich hat uns Opa Lohmann in seinem Borgward zum „Holzanschauen“  in die nähere oder weitere Umgebung mitgenommen. Dann ging es ab in den Wald, wo sich Opa mit einem Förster oder Holzverkäufer für ein Einkaufsgespräch traf, alles ohne Zwischenhändler!

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Ein Highlight war für mich, wenn ich meinen Vater von der Arbeit abholte und gelegentlich eine Flasche Coca Cola 0,33l bekam (heute ein Altersgegenstand). Im Kontor stand eine hölzerne original Kühlbox von Coca Cola, den Verkauf regelte ein Mitarbeiter im Kontor (Büro).

An der Wand hinter Opa's Schreibtisch stand ein alter brauner Tresor, der laut Aussagen nach dem 2. Weltkrieg von den amerikanischen Soldaten versucht worden ist zu knacken, hat aber wohl nicht funktioniert. Aus lauter Frust haben sie dann wohl auf die Tür und das Schloß geschossen. Die Beschädigungen waren noch gut zu sehen.

In der Zeit zwischen 1962 und 1964, ich weis gar nicht mehr genau wann, kamen die ersten Gastarbeiter zu uns in den Betrieb, um den Personalmangel auszugleichen.

Das ist mir bis heute noch in Erinnerung geblieben. Es waren 3 schwarzhaarige fremdartig wirkende Männer, ich glaube Kurden, mit großen schwarzen Schnurrbärten, die immer etwas abgesondert für sich Pause machten und viel Knoblauch aßen. Ich habe sie gelegentlich beobachten wenn sie Pause machten und sich in ihrer für mich fremden Muttersprache unterhielten und gestikulierten.

Zu der Zeit bin ich mit meinem Vater und dem LKW losgefahren und wir haben Möbelspenden usw. für die Gastarbeiter (nicht Migranten) eingesammelt und in ihre Unterkunft gebracht. Auftrag von Opa Lohmann. Das waren meine ersten Erfahrungen zum Thema „Gastarbeiter“ (im Alter von ca. 10 Jahren).

Auf dem Grundstück der Fabrik gab es auch ein großes Stück Garten, dass von der gesamten Familie, unter Federführung von Oma Lohmann, bewirtschaftet wurde. Für uns Kinder hieß das im Herbst immer Obst ernten, Kartoffeln aufsuchen und zum Schluss im Feuer Kartoffeln braten, lecker! Das war noch familiere Selbstversorgung!

In den Ferien konnte ich gelegentlich einige Tage im Betrieb arbeiten um mein Taschengeld aufzubessern, bzw. um für ein neues Fahrrad (lieber Mofa) zu sparen. Der Stundenlohn betrug glaube ich 1,40 DM, plus mindestens eine Cola am Tag als Prämie. Dafür musste ich helfen die Trockenöfen zu Be- und Entladen und andere Hilfstätigkeit ausführen.

Die prägendste Erinnerung jedoch ist der Geruch von frisch gesägtem Buchenholz und der Geruch von Knochenleim, der ist bis heute noch präsent.

 

(Geschichte aufgeschrieben von Rainer Lohmann)

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